Ein ausgelassener Fellmantel besticht durch seinen ästhetischen und optischen Effekt. Schlanke, schmale Fellstreifen reihen sich in homogener Perfektion aneinander. Wie ein Wasserfall umhüllen sie die Trägerin. Von der Schulter bis zum Saum ohne Unterbrechung in die Länge gezogene Fellstrukturen. Keine Quernähte, keine Fellansätze. Ein ausgelassener Nerzmantel zählt wohl zu den anspruchsvollsten und aufwendigsten Verarbeitungstechniken in der Bekleidung.
Relativ kurze, breite Felle werden zu schmalen, langen Fellstreifen verändert. Oft doppelt bis dreimal so lang wie das eigentliche Fell. Dies geschieht, indem die vorgespannten Felle fischgrätartig in 4-6 mm breite Streifen geschnitten werden. Diese werden dann, in neuem Rhythmus versetzt, wieder zusammengenäht. So wird die Fläche verändert und es entsteht aus einem zum Beispiel 20×50 cm großen Fell ein langer, schmaler Streifen von etwa 8×125 cm.
Diese Länge wäre erforderlich für einen wadenlangen Mantel. Komplizierte Berechnungen, sogenannte Auslaßberechnungen, gehen dem Zerschneiden der Felle mit dem Kürschnermesser voraus. Millimetergenau wird angezeichnet, in welchem Abstand die feingeschnittenen Streifen von der Näherin oder dem Näher an der Pelznähmaschine wieder zusammengenäht werden sollen. So ist es auch möglich, bei der Anfertigung eines taillierten Mantels die einzelnen Fellbahnen in taillierter Form zu berechnen. Mathematische Präzisionsarbeit und ein hohes Maß an gestalterischer Begeisterung sind hier gefordert.
Künstlerische Fellbilder können auf diese Weise entstehen, wenn sich Nerzstreifen rankenartig verschlingen oder wenn diese am Saum eines Mantels in kühnen Halbbögen enden. Alleine das Maschinennähen eines solchen Nerzmantels erfordert 60-90 Stunden Arbeitsaufwand, da etwa 10 000 bis 14 000 einzelne Streifen zusammengefügt werden müssen. Somit stellt das Auslassen höchsten handwerklichen Luxus dar, den man sich bei der Anschaffung eines Pelzmantels leisten kann.
Ein optisches Meisterwerk – eine Sinnenfreude.
Viele Fellarten können ausgelassen verarbeitet werden wie Nerz, Zobel, Marder, Iltis, Nutria, Biber, Bisam, Wiesel, Fuchs und Waschbär.
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Text: Reinhold Metz | Stephanie Metz